Rückblick auf der Fairtrade Town Radtour von Freiberg nach Amberg (23.-27.5.)
- Freiberger Agenda 21 e.V.
- 12. Juni
- 7 Min. Lesezeit
1. Etappe: Freiberg - Chemnitz
Beginn unserer Tour war in der Silberstadt Freiberg. Hier wurde auch die Idee der Fairtrade Town Radtour, die insgesamt 7 Städte des Fairen Handels und 8 Weltläden miteinander verband, geboren. Der Start selbst war direkt am Rathaus, wo wir von Mitarbeitern der Stadt noch fair gehandelte Energieriegel mit auf den Weg bekommen haben. Auch haben wir für alle Haltepunkte faire Produkte als Gastgeschenk mitbekommen, so etwa Freibergschokolade und -kaffee sowie die Mangos von PREDA (https://www.freiberg.de/leben-und-freizeit/ausgehen-und-freizeit/veranstaltungen/details/musical-once-we-had-a-dream) und die Bunten Weisheiten aus Freiberg (https://handlungsnetz.de/?p=1522).
Passend zum Tourstart, startete am 23. Mai auch das dreiwöchige Stadtradeln, bei dem alle Freiberger und Freibergerinnen dazu aufgerufen waren so viel Kilometer wie möglich zu erradeln: https://www.stadtradeln.de//freiberg-sachsen
Die 8 Pedaleure des heutigen Tages erreichten Chemnitz nach 40km mit leichter Verspätung. Nach einem frenetischen Empfang durch die lokale Fairtrade Town-Gruppe ging es deswegen direkt auf die nachhaltige Textilstadtführung, welche von Anna und Ina vorbereitet wurde. Uns wurde verdeutlicht welche historische Bedeutung die Textilindustrie in Chemnitz hat und welch schwierige Arbeitsbedingungen heute in den Produktionsländern, die hauptsächlich in Asien liegen, vorherrschen. Auch besuchten wird den Laden „Kult Design Unikate“, welcher bereits seit 2007 nachhaltige Mode anbietet. Wir hatten die Chance die Besitzerin zu den Arbeitsbedingungen, Herkunftsländern und Recyclingprodukten zu befragen.
Anschließend ging es zu einem Austausch mit der lokalen Fairtrade Town-Gruppe in ein Wirtshaus der Innenstadt. Die Übernachtung erfolgte in der Wohnung des Weltladenmitarbeiters Klemens, der uns vorzüglich bewirtete. Zuvor mussten wir allerdings noch die vollbepackten Räder abholen, welche wir im Weltladen abstellen durften.
2. Etappe: Chemnitz - Eibenstock
Unser Teilnehmer Peter hatte sich für den Morgen einen Halt am Nischel/Marxkopf gewünscht. Peter selbst kommt aus Saarbrücken und hatte nicht nur die weiteste Anreise zu unserer Radreise, sondern 2009 auch die 1. Deutsche Fairtrade Town mitgegründet. Seitdem ist Saarbrücken einer der Vorreiter in Sachen Fairer Handel.
Für uns ging es heute immer den Radweg Karlsroute, welche von Chemnitz nach Karlsbad führt, entlang. Nach einem Stopp am Wasserschloß Klaffenbach und einigen verdrückten Energieriegeln ging es weiter über Niederwürschnitz und Hartenstein nach Aue. Hier wurde gegen Mittag der örtliche Weltladen besichtigt, welcher sich zentral gelegen im Bürgerhaus direkt an der Mulde befindet. Diesem Fluss folgten wir dann auch auf einem herrlichen Radweg bis Blauenthal. Das besondere: Trotz Erzgebirge gibt es hier nur einen ganz gemächlichen Anstieg, da sich der Radweg auf einer alten Bahnstrecke befindet. Doch nach der Besichtigung des größten sächsischen Wasserfalls kam noch ein manierlicher Anstieg. Die Sosaer Straße, welche als Waldweg nach Eibenstock hinaufführt, war der vielleicht schwierigste Anstieg der gesamten Tour. Mit vollem Gepäck ging es im Schneckentempo hinauf. Eine Verschnaufspause bekamen wir dann am Eibenstocker Weltladen, dem wohl höchstgelegenen Weltladen Sachsens, der gerade sein 30jähriges Bestehen feierte. Durch die extra dafür angelegte Ausstellung führten uns die Mitarbeitenden gerne. Einige empfanden den Eibenstocker Weltladen als den schönsten der ganzen Tour und staunten darüber, dass es auch in einer solch kleinen Stadt einen solchen Laden gibt.
Abends gab es dann noch einen Austausch bei Gegrilltem und Kaltgetränken und wir durften bei Birgit, einer Vertreterin der lokalen Fairtrade Town-Gruppe übernachten.
3. Etappe: Eibenstock – Selb
Nach dem Aufstehen stand zunächst eine kleine Stadtführung mit voll bepackten Rädern an. Wir besichtigten zunächst die Schürtzenfirma Schuster. Konstantin, der in Freiberg ehrenamtlich ein Flickcafé betreibt und auf der Fahrradtour unser Chefmechaniker war, freute sich sehr darüber einmal die Knopflochmaschine ausprobieren zu dürfen. Anschließend sahen wir den Alten Bahnhof, die Kirche, den Ausblick auf den Skihang und auf besonderen Wunsch das ehemalige Amerikanische Konsulat, welches ungläubig betrachtet wurde. Wir fuhren auch an Geschäften und Gastronomien (Kunsthof mit Café, Regionalladen Regine und Waffelstube) vorbei, die mit den hier zu erwerbenden fair gehandleten Produkten dazu beitrugen, dass Eibenstock seit 2023 Fairtrade Town ist. Sie ist auch die kleinste Fairtrade Town, die wir unterwegs besuchten, so wurde uns verdeutlicht, dass der Zusammenhalt hier besonders stark ist und etwa die Schulen und das Rathaus das Projekt Stadt des Fairen Handels mit unterstützen. Hierzu kamen wir auch bei einem fairen Frühstück im Anschluss an die Stadtrundfahrt noch ins Gespräch.
Nach einer ordentlichen Stärkung ging es auf die härteste Etappe unserer Tour. Gleich zu Beginn durften wir über Wildenthal und Oberwildenthal bis zum Grenztor auf 950 Meter über den Meeresspiegel klettern. Einer der beiden Christians machte noch ein Abschiedsfoto und rollte dann gen Freiberg zurück. Der Rest überquerte die Grenze nach Tschechien und es begann zu regnen. Ein erster Versuch sich in einem Wirtshaus aufzuwärmen scheiterte in Rolava an Überfüllung und so ging es weiter bis Kraslice. Frisch gestärkt pedalte die nun 5-köpfige Reisegruppe durch Regen, Berge und eine herrliche Landschaft auf wenig befahrenen Wegen. Auch heute taten die Energieriegel, mit welchen wir uns in jedem Weltladen eindeckten wieder gute Dienste und so erreichten wir Selb, nachdem wir Luby, Plesna, Bad Brambach und As passiert hatten nach 75km. Das Schwierigste waren heute nicht so sehr die 75km, sondern die Berge und das Wetter, weswegen wir erst 2 Stunden nach dem eigentlichen Zeitplan die Porzellanstadt erreichten. Selbst Karin und Ralf, unsere beiden schnellsten Radelnden, hatten für heute genug. In Selb wurden wir im italienischen Restaurant bereits von den Weltladenmitarbeiterinnen empfangen. Die Stadt hat noch einen recht neuen Weltladen, der erst 10 Jahre alt ist und sich aus der Kirche heraus entwickelt hat. Noch heute sind die Meisten seiner Aktiven Kirchengebunden. Dementsprechend verwundert es nicht, dass wir heute in der Christuskirche übernachten durften. Im Vorfeld hat uns Pfarrer Johannes Herold, der auch die Fairtrade Town-Gruppe in Selb leitet, scherzhaft gesagt, dass wir gerne in der Kirche zelten dürfen, aber keine Heringe verwenden sollen. Letztendlich hatte einer unserer Mitreisenden anstatt einiger Kirchenlieder ein schönes Schnarchsolo auf den Lippen. Da er dies wusste, hat er uns allerdings Ohrstöpsel zur Verfügung gestellt.
Bevor es ins Bett ging haben wir allerdings noch zusammen mit einigen Kirchenmitgliedern den Film „Bittere Früchte“ angeschaut und im Anschluss über die Arbeitsbedingungen der Migrantinnen und Migranten diskutiert, die für uns in Europa Obst und Gemüse anbauen.
4. Etappe: Selb – Weiden in der Oberpfalz
Heute erneut 75km, immer noch bergig, aber nicht mehr ganz so steile Anstiege wie noch am Vortag und vor allem kein Regen.
Zum Start gab es erst einmal ein faires Frühstück in der Kirche mit der Fairtrade Town-Gruppe und dem Bürgermeister der Porzellanstadt Selb. Wir haben auch unseren Beitrag geleistet und Mangomarmelade aus dem Chemnitzer Weltladen und Vogelbeeraufstrich aus dem Eibenstock Regionalladen mitgebracht.
Pünktlich zum Start fing es dann heftig an zu regnen, den einzigen Schauer des Tages verbrachten wir unter einem Bushäuschen. Anschließend ging es teils über Radwege, aber immer in schöner Landschaft von einem netten Städtchen zum Anderen.
In Tirschenreuth wurden wir dann im Weltladen zum Mittagessen erwartet. Die Gruppe hatte extra für uns gekocht und gebacken. Der lokale Weltladen war groß und gut sortiert. Eine Besonderheit ist, dass der Weltladen immer auf dem Wochenmarkt mit einem Stand zu finden ist und zudem Produkte aus dem Weltladen beim Blutspenden des DRK als Geschenk ausgewählt werden können.
Auf dem weiteren Weg stellten sich noch einige steile Hügel und eine wütende Schwanenfamilie in den Weg. Wir könnten aber alle Hindernisse meistern und nach einer 5km langen Abfahrt kamen wir auf dem Sportgelände des DJK Weiden an. Die Sportgaststädte wurde direkt um ein lokales Bier erleichtert, bevor wir unsere Zelte aufbauen wollten. Doch daraus wurde nichts, denn einer der Vereinsverantwortlichen, der vor 30 Jahren nach Weiden gezogen war meinte: „Wir Sachsen müssen zusammen halten.“ Und mit diesen Worten nahm uns der gebürtige Ostsachse mit in eine kleine Holzhütte in der Minitore gelagert wurden und wir unsere Luftmatratzen ausbreiten konnten.
Von da an war Veit, der Koordinator der Fairtrade Town-Gruppe und eine der zentralen Figuren des lokalen Agendaprozesses, unser Gastgeber des Abends. Zuerst gab es eine Stadtführung in der sehr schönen Innenstadt. Anschließend hielt Christian, der Koordinator unserer Fairtrade-Radtour, im Denk.Max seinen Reisevortrag „Immer nach Osten – mit dem Rad von Freiberg nach Vietnam“ (https://freiberg-transsib-peking.de/reisevortrage/). Zum Abschluss des Abends lud uns Veit noch in eine lokale Brauwirtschaft zu Speis und Trank ein. Einige Besonderheiten wurden noch ausgetauscht, so gibt es in Weiden sogar eine Fairtrade-Hochschule, die sich für den Fairen Handel einsetzt. Der Weltladen agiert hier eng im Verbund mit anderen Weltläden, zu denen auch der In Tirschenreuth zählt, den wir bereits zu Mittag besucht hatten.
5. Etappe: Weiden – Amberg
Auf der letzten Etappe ging es über 50km auf der flachsten Etappe unserer Tour locker dahin, obschon es auch hier ein paar Hügelchen und 600 Höhenmeter zu bewältigen gab. Zu unserer Reisegruppe, Karin, Christian, Konstantin, Peter und Ralf gesellte sich heute noch Naima hinzu.
Morgens wurden wir nochmals von Veit in Empfang genommen und ins Frühstückslokal bei feinem Schmaus „entführt“. Ein Fahrzeug des Städtischen Bauamts überzeugte uns durch einen Aufkleber der lokalen Fairtrade Town.
Die flache Etappe ließ dann die Kilometer nur so purzeln und so waren wir trotz zwei Platten ausnahmsweise im vorher errechneten Tagesschnitt. Beeindruckt waren wir noch von einem riesigen Kaolintagebau mit eigenem Zuganschluss. Der Abraum wurde zum „Monte Kaolino“ aufgetürmt, welcher sogar einen Abfahrtshang und einen Campingplatz beherbergte.
Amberg erreichten wir dann in einer schnellen Abfahrt. In der Partnerstadt Freibergs fand gerade ebenfalls das bundesweite Stadtradeln statt, was wir schon an einem großen Banner erkannten. Zur verabredeten Zeit fuhren wir dann vor dem Amberger Rathaus ein. Die Begrüßung der Delegation musste allerdings noch warten, da wir die Einfahrt für das Lokalfernsehen und die Zeitung nochmals wiederholen mussten.
Im Anschluss hielten wir uns lange im Amberger Weltladen auf. Einem Weltladen der unglaubliche 60 ehrenamtliche Helferinnen hat. So lässt es sich die Schichten locker doppelt besetzen. Am Nachmittag besuchten wir noch den Diversity-Markt, bei dem sich Initiativen vorstellten die sich für eine gesellschaftliche Teilhabe aller einsetzen.
Den Abend ließen wir dann in einem Pub bei lokalem Bier ausklingen. Amberg hat oder hatte wohl die größte Brauereidichte pro Einwohnenden weit und breit (9 Brauereien auf 42.000 Menschen). Im Pub war Selbstbedienung, da der Hobbywirt, ein amerikanischer Lehrer in der nahegelegenen US-Kaserne, gerade beim Frisör war. Wir lernten noch eine sehr Aktive Gruppe kennen, die sich für veganes Essen in ihrer Stadt einsetzte und die ehemalige hauptamtliche Fairtrade-Beauftragte der Stadt war ebenfalls anwesend.
Mit einer Nacht im Hotel nach einigen Matratzennächten ging die Tour zu Ende und am nächsten Morgen rollten wir im Zug zurück und stellten fest, dass wir doch einiges an Strecke geschafft hatten.
Vielen Dank an alle, die uns so herzlich aufgenommen haben während der Tour. Es war wirklich eine große Freude und wir hoffen euch mal wieder zu sehen!